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Lokal-TV in Pandemiezeiten
Die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie stellten auch die regionalen und lokalen Rundfunkveranstalter vor enorme Herausforderungen. Während die Redaktionen in der Krise auf Hochtouren weiterarbeiteten, um den besonders großen Informationsbedürfnis Rechnung zu tragen, brachen die Werbeeinnahmen ein und die Sender verzeichneten erhebliche Umsatzeinbußen. Insbesondere kleinere und mittlere lokale und regionale Anbieter sahen sich angesichts der lang anhaltenden Ausnahmesituation vor ernsthaften existenziellen Problemen.
Dabei war es auch ohne Corona-Krise bereits eine große Anstrengung, Lokaljournalismus zu betreiben und gleichzeitig genügend Werbeerlöse zu erzielen, um als Medienunternehmen fortzubestehen. Gerade im Lokaljournalismus, insbesondere bei den Lokal-TV-Sendern, ist dieser Balance-Akt seit Jahren immer schwieriger geworden. Mit der COVID-19 Situation kamen seit 2020 nun ganz neue Herausforderungen hinzu und die Veranstalter waren gezwungen, sich darauf einzustellen und auch neue Wege zu gehen.
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Eine Aufgabe für wahre Krisenmanager
Wie dies gelungen ist, worauf es dabei insbesondere ankam, welche Hilfen bzw. Unterstützungen es gab und was man daraus für die Zukunft mitnehmen kann, haben wir im Gespräch mit dem Geschäftsführer der Lokal-TV Sender „MITTEL ERZGEBIRGS FERNSEHEN“ sowie „Kanal 9 Erzgebirge“, Frank Langer, und den Geschäftsführer der SACHSEN FERNSEHEN-Gruppe, Frank Haring, erfahren.
Die Interviews führte Frank Scheibe.

Frank Langer ist Geschäftsführer der kabel-tv marketing GmbH, Brand-Erbisdorf, und der Regional-Fernsehen Mittelerzgebirge – MEF GmbH, Marienberg, sowie Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Lokalfernsehen – BLTV
Wie und wie stark war und ist Ihr Sender von der COVID-19 Situation betroffen?
Frank Langer: Unser Problem bestand darin, dass beispielsweise unser Tochterunternehmen Kanal 9 Erzgebirge ausschließlich Fernsehen macht - also nicht vielseitig aufgestellt ist. Kurz gesagt, als ein solch reiner Fernsehsender, der sich nicht noch Produktion oder andere Bereiche zugelegt hat, war 2020 tatsächlich ein sehr schlechtes Jahr. Besonders durch den Ausfall von öffentlichen Veranstaltungen und Festivitäten fielen Möglichkeiten für Werbung weg. Zudem waren die Firmen und Veranstalter teilweise selbst von der Krise betroffen und hielten sich mit der Beauftragung von Werbung zurück. In der Folge gab es einen deutlichen Rückgang bei Umsatz und Inhalten.
Mit welchen Maßnahmen haben Sie darauf reagiert? Was hat funktioniert, was nicht?
Frank Langer: Glücklicherweise konnten wir durch Produktionen für Kunden, die nichts mit dem „normalen“ TV-Betrieb zu tun haben, Umsatzeinbußen abfangen. Diese Produktionen retteten den Sender MEF auch Anfang 2021. Generell haben wir uns jedoch breiter aufgestellt und in der Pause nach neuen Möglichkeiten gesucht. Wir haben ganz neue Formate umgesetzt, z.B. auch Beerdigungen übertragen. Außerdem haben wir viele Beiträge aus dem Archiv gesendet, um die Entwicklung der Region darzustellen. Auch die Übertragung von Gottesdiensten ist sehr dankend angenommen worden. An dieser Stelle muss ich meine Mitarbeiter loben. Denn sie sind wirklich kreativ gewesen und haben sehr viel Energie in neue Ideen investiert.
Haben Sie externe Hilfen angefragt, beantragt und erhalten?
Frank Langer: Manche Kollegen haben Hilfen beantragt und Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Bei kleinen Sendern ist das jedoch nicht so möglich bzw. notwendig, da personell sowieso „an der Schmerzgrenze gearbeitet wird“. Gut war, dass die Förderung im Bereich der Betrauung von Seiten der SLM schnell angepasst wurde. Die Corona-Hilfen des Landes aus dem September waren hingegen schwierig zu beantragen. Zudem gab es Unterschiede bei GmbHs und kleinen Unternehmen, bei denen Personen Gesellschafter sind. Sie hatten das Problem, dass der Unternehmerlohn keine Berücksichtigung finden konnte. Demzufolge hat der Unternehmer selber gar nichts davon, so wie es bei vielen in der Kunstbranche ja ist bzw. war. Ich will noch erwähnen, dass es Kollegen gab, die versucht haben, für die gesamte Branche Aufträge zu akquirieren. Das hat zwei- oder dreimal geklappt. Aber im Vergleich haben andere Kollegen, etwa aus dem Online-, Radio- oder Printbereich, mehr erreicht.
Gibt es einen Austausch mit anderen Veranstaltern oder über den Landes- bzw. Bundesverband?
Frank Langer: Ja, den gibt es – meist über Zoom-Konferenzen und überwiegend positiv. Insgesamt haben wir mehr kommuniziert als in den anderen Jahren und auch nicht negativ, sondern im Austausch miteinander. Das hat vielleicht die Möglichkeit der Online-Konferenz mitgebracht, weil keiner mehr zu den Treffen hinfahren musste. Das ist durchaus ein positiver Effekt, würde ich sagen.
Versuche in Sachen Rundfunkbeitrag etwas anzustoßen, blieben dagegen erfolglos – Lokaljournalismus bleibt bei der Mittelvergabe leider schon immer außen vor. Es gibt zwar immer wieder Beteuerungen der Politik, etwas ändern zu wollen, dann aber auch immer wieder neue Bedingungen. So bleiben die Forderungen letztendlich unerfüllt. Auch Erwähnungen und Vorschläge zu anderen Modellen, z.B. aus Österreich, bleiben unbeantwortet oder werden abgelehnt. Ich sehe den Lokaljournalismus durch das Fehlen von Förderung nach wie vor in Gefahr, da immer mehr Kollegen sich mit dem Gedanken beschäftigen, in Zukunft mehr Auftragsproduktionen zu übernehmen und den „teuren“ Journalismus abzustoßen. Das ist eigentlich das, was man beim Lokalfernsehen immer sagen oder feststellen muss: Wer den Pluralismus bekleiden oder betreiben will, muss es irgendwie querfinanzieren.
Hat Corona den Prozess beschleunigt oder den Gedanken, wie man jetzt zukünftig mit seiner eigenen Situation umgeht?
Frank Langer: Ja, würde ich schon zu einem gewissen Grad sagen. Also es ist nicht so, dass jeder die Flinte ins Korn wirft, aber man überlegt einfach mehr. Wir wollen ja den Lokaljournalismus schon beibehalten, weil er wichtig ist. Es gibt Schweizer Studien, die beweisen, dass Regionen, die kaum noch Lokaljournalismus haben, deutlich mehr zu radikalen Denkweisen tendieren. Aber die Ausdünnung geht weiter voran. Gerade im Erzgebirge gibt es tatsächlich nur noch das Lokalfernsehen als rein lokal ansässige Medienunternehmen.
Wie sind Sie in der Berichterstattung mit COVID-19 umgegangen? Wie sah das Feedback Ihrer Zuschauer aus? Wie sind Sie mit den verschiedenen Meinungslagern umgegangen und haben Sie auch Position bezogen?
Frank Langer: Gerade in der Corona-Anfangszeit haben wir noch versucht, alle Informationen rüberzubringen, die es gab. Aber irgendwann war der Zuschauer tatsächlich gefühlt satt, sodass wir wieder davon abgerückt sind.
„Den Fokus haben wir dann eher auf positive Beispiele gelegt, also auf Menschen, die etwas aus der Krise gemacht haben. Diese positiven Beispiele kamen deutlich besser an als die Übertragung von Pressekonferenzen oder Statusmeldungen.“
Die Zuschauer waren tatsächlich nicht mehr bereit, sich auf Dauer die COVID-Berichterstattung anzugucken. In unserer Berichterstattung haben wir natürlich versucht, die Neutralität gegenüber dem Thema zu bewahren, jedoch auch Meinungspluralismus Raum zu geben. Dazu gehören auch kritische Meinungen, z.B. bei Montagsmärschen. Man kann das Virus natürlich nicht totschweigen. Aber man kann auch die wirtschaftlichen Auswirkungen in der Region nicht verleugnen. Ob jede politische Entscheidung die richtige ist, sollte von uns als Medienmenschen in jedem Fall nicht beurteilt werden. Daher haben wir auch keine Stellung bezogen oder eine Position vertreten. Wir sollten stattdessen versuchen, den Leuten Informationen zu transportieren. Das ist uns gefühlt ganz gut gelungen, es hat uns zumindest noch niemand als „Lügenpresse“ bezeichnet.
Gab es in der letzten Zeit aufgrund der veränderten Situation auch neue Formate? Und hat sich die Arbeitsweise im Sender verändert?
Nun, die Übertragung von Beerdigungen und Gottesdiensten fanden - wie erwähnt - guten bzw. sehr dankbaren Zuspruch. Dieses Format pausierte im Sommer, wurde im Herbst aber wieder regelmäßiger umgesetzt und auch wieder gut angenommen. In puncto Arbeitsweise bietet unsere Redaktion gute Voraussetzungen für Arbeit bei gleichzeitigem Einhalten der Abstandsregeln. Schnitt und Redaktion konnten weitestgehend getrennt arbeiten. Wir haben versucht, Praktikanten, solange es ging, noch mit einzubinden, damit sie sich noch einige Sachen aneignen konnten. Bei Interviews haben wir natürlich auf Abstand zum Interviewpartner geachtet und versucht, alle Vorgaben einzuhalten, wenn möglich. Bislang sind keine Infektionen im Unternehmen im Arbeitsalltag entstanden.